Aufmerksamkeit wie Muskel trainieren

Aufmerksamkeit wie einen Muskel trainieren, das ist das Ziel von Achtsamkeit.
Üben achtsam die Aufmerksamkeit wie eine Scheinwerfer auszurichten. Bild: Rainer Sturm/ Pixelio

Die Aufmerksamkeit ist wie ein Scheinwerfer, der an einem Gummiband aufgehängt ist. Wenn wir Grübeln oder uns Sorgen machen, dann ist dieses Gummiband unter Spannung. Und die Aufmerksamkeit schnalzt immer wieder weg – meist dahin, wo wir sie gar nicht haben wollen.

Allerdings lässt sich das bewusste Ausrichten der Aufmerksamkeit wie einen Muskel trainieren.

Dazu können wir den Atem als einen Fokus für die Aufmerksamkeit nutzen. Denn wir atmen immer, egal ob wir das bewusst bemerken oder nicht.

Um den Aufmerksamkeitsmuskel zu trainieren, richte 2 min lang Deine Aufmerksamkeit bewusst auf die Bewegung des Atems, und bemerke, wann immer Deine Aufmerksamkeit wegschnalzt. Wenn Du Abschweifen bemerkst, dann lobe Dich für dieses Bemerken, indem Du Dir nach innen ein Lächeln schenkst.

Damit Du Abschweifen möglichst oft bemerkst, benutze während der Übung folgende Aufmerksamkeitsanker:

1) begleite aufmerksam Deine Einatembewegung in Richtung Fußsohlen, spüre gleichzeitig die Fußsohlen und zähle dabei „1“; 

2) zähle "2" für jeden Atemwechsel, wo für einen kurzen Moment keine Bewegung im Körper zu spüren ist; 

3) richte Deine Aufmerksamkeit während des Ausatmens auf das Weicherwerden von Schulter/Nacken und zähle „3“. 

Das Wichtigste allerdings während der Übung ist: Abschweifen freundlich bemerken (kein Grund zu schimpfen) und als Zeichen dafür, dass Du es gemerkt hast: sanft lächeln.


Atemmeditation nach Tich Nhat Hanh

Der buddhistische Mönch und Meditationslehrer Tich Nhat Hanh empfiehlt, das bewusste Erleben der Atembewegung mit jeweils sinnstiftenden Sätzen (je ein Mantra) zu begleiten. Das hilft, dass man leichter bemerkt, wenn die Aufmerksamkeit wegdriftet. Es hilft, um sich freundlich und sanft wieder in die erlebende Beobachter-Haltung zu bringen. Und es hilft, den Scheinwerfer der Aufmerksamkeit erneut bewusst auf den Hier&Jetzt-Moment zu richten.

Die Idee ist: jede Einatembewegung mit einem sinnstiftendem Satz begleiten, indem man ihn (bzw. dessen Kurzform) still ausspricht. Und für jede Ausatembewegung einen zweiten sinnstiftenden Satz innerlich vorsagen und gleichzeitig erleben.

 

Konkretes Vorgehen:

  1.  a) Ich atme ein und bemerke, dass ich einatme (Kurzform: "ein")
    b) Ich atme aus und bemerke, dass ich ausatme (
    "aus")
  2. a) Ich atme ein und mein Atem geht tief (in Richtung Fußsohlen) - Kurzform: "tief"
    b) Ich atme aus und mein Atem geht lang (die ganze Länge des Körpers nach oben) -
    "lang"
  3. a) Ich atme ein und beobachte die Einatembewegung mit Ruhe ("ruhig")
    b) Ich atme aus und beobachte die Ausatembewegung, wie sie meinen Körper löst (
    "gelöst")
  4. a) Ich atme ein und begleite das Einatmen mit einem Lächeln ("lächelnd")
    b) Ich atme aus und lasse Spannung beim Ausatmen los (
    "loslassend")
  5. a) Ich atme ein und erlebe die Atembewegung in diesem Moment ("dieser Moment")
    b) Ich atme aus und bemerke die Wunder des Moments (weil ich es bewusst erlebe) -
    "wundervoller Moment"

Wie bei jeder Meditation wird während der Übungszeit der Ablauf wiederholt. Und wie bei jeder Meditation geht es vor allem darum, das  Abschweifen der Aufmerksamkeit zu bemerken; kein Grund, sich für das Abschweifen zu schimpfen, sondern sich für das Bemerken mit einem Lächeln loben. Dann sanft die Aufmerksamkeit neu ausrichten - auf die nächste Atembewegung.