Fertigkeiten für Vitalität in der Beziehung

Die drei Fertigkeiten Bewustheit, mutiges Handeln und warmherziges Wertschätzen lassen sich in der Partnerschaft praktizieren. Sie helfen, sowohl die eigenen Bedürfnisse als auch die Bedürfnisse des Partners/der Partnerin stärker zu leben.
Die drei Fertigkeiten Bewustheit, mutiges Handeln und warmherziges Wertschätzen lassen sich in der Partnerschaft praktizieren. Sie helfen, sowohl die eigenen Bedürfnisse als auch die Bedürfnisse des Partners/der Partnerin stärker zu leben.

Kommunikation und Handeln innerhalb der Partnerschaft lassen sich üben. Das hilft, damit die Bedürfnisse beider langfristig mehr zum Tragen kommen, für eine wert-geschätzte Richtung in der Beziehung, und zwar mit:

  • Bewusstheit: nämlich zu erleben, was im Augenblick passiert anstatt im Autopilot zu handeln. Das beinhaltet: zu wissen was mir wichtig ist, allerdings auch wahrzunehmen, was meiner Partnerin / meinem Partner wichtig ist. Ebenso eigene Gefühle, Empfindungen, Gedanken zulassen statt automatisch dagegen zu handeln. Und: sich in den anderen einfühlen können.
  • mutiges Handeln: im Hier & Jetzt ein Stück weit so zu handeln wie es mir wirklich wichtig ist, notfalls auch mit unerwünschten Gefühlen |&| andere zu mutigem Handeln ermuntern (d.h. über Gefühle und Bedürfnisse sprechen und gemeinsame Lösungen finden).
  • warmherzige Wertschätzung: sich selbst und dem Partner/der Partnerin Fürsorge zukommen lassen, wertschätzen was an einem selbst und an ihr/an ihm liebeswert ist sowie die Wertschätzung des anderen annehmen. Das lässt sich mit konkreten Handlungen umsetzen.

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Kommunikation als Schlüssel-Fertigkeit

Interview von Paartherapeut Reimer Bierhals mit der Neuen Presse Coburg

Paartherapeut Reimer Bierhals trainiert Paare in Bambert in wirkungsvollerer Kommunikation
Kommunikations-Fehler lassen sich vermeiden, um bewusster über die eigentlichen Bedürfnisse in der Partnerschaft zu sprechen. Bild Katharina Müller Wieland / pixelio.de

Welche Rolle spielt Kommunikation in einer Partnerschaft und warum ist es wichtig, bewusst zu kommunizieren?

Kommunikation ist von zentraler Bedeutung. Dadurch signalisieren wir, dass wir den anderen lieben, wertschätzen, und zu ihm stehen. Es geht darum O.K.-Signale zu senden. Und das ist umso wichtiger, wenn es Meinungsverschiedenheiten in der Partnerschaft gibt. Kommunikation lässt sich nicht auf Worte beschränken. Sie besteht auch aus Gesten, Zuwendung und Stimmlage. Dies transportiert unmittelbar die Botschaft: prinzipiell bin ich Dir wohl gesonnen, auch wenn wir inhaltlich im Augenblick anderer Meinung sind.

Was sind häufige verbale „Fehler“, die bei Auseinandersetzungen unter Paaren gemacht werden?

Ein großer Paarforscher – John Gottman – hat nach Videoanalysen vier Kategorien von Kommunikations-Fehlern ausgemacht, die er „Apokalyptische Reiter“ nennt. Die begegnen mir in der Arbeit mit Paaren immer wieder: Es sind: verallgemeinernde Kritik, die sich nicht nur auf eine konkrete Situation bezieht, sondern Wörter wie „immer“ oder „nie“ enthält, Verachtung, mit denen man den anderen lächerlich und klein macht, die defensive Kommunikation von Rechtfertigen, Kritikabwehr und Verantwortungszurückweisung – das sind die typischen „Ja-aber“-Sätze. Schließlich: Rückzug und Mauern, d.h. den Partner in seinem Bemühen ignorieren und totschweigen. Wenn Sie so wollen lassen sich die vier Kategorien in die Richtungen verletzender Angriff und abblockende Verteidigung zusammenfassen.

Mit welchen Folgen?

Die Partner werden durch diese Kommunikationsfehler zu Gegnern wie auf einem Schlachtfeld. Es geht um Sieg oder Niederlage. Wie bei jedem Krieg flackern die Kämpfe ohne echten Frieden immer wieder auf; Misstrauen und Verletzungen vertiefen sich. Auf Dauer bleibt die Beziehung auf dem Schlachtfeld liegen. Das liegt daran, dass diese Art der Kommunikation keinen Raum für prinzipielle O.K.-Signale und Vertrauen lässt. Stattdessen wird die Person als gesamtes in Frage gestellt. Der erwähnte Paarforscher Gottman konnte anhand dieser Kommunikationsfehler mit über 90 Prozent Wahrscheinlichkeit vorhersagen, ob sich die von ihm beobachteten Paare innerhalb von knapp sechs Jahren trennen werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

Nehmen Ihrer Erfahrung nach Kommunikationsprobleme in Partnerschaften in den vergangenen Jahren zu? Wenn ja, was könnten Gründe dafür sein?

Ich möchte nicht behaupten, dass Kommunikationsprobleme an sich zugenommen haben. Was ich jedoch schon bemerke, ist dass der Druck auf Paare zugenommen hat. Man könnte das als Optimierungsdruck bezeichnen. Ich glaube, dass hat viel mit dem gesellschaftlichen Druck in Zeiten der Globalisierung zu tun, wo viele Prozesse verschlankt, digitalisiert, kontrolliert und optimiert werden. Gut sein müssen und optimal funktionieren, diese Anforderungen strahlen auf den privaten Lebensbereich ab. Dabei wäre Partnerschaft eine potentielle Rückzugsquelle zum Auftanken, allerdings wirkt auch hier der Optimierungsdruck, denn die Liebesbeziehung soll uns nicht nur einen Partner an die Seite stellen, der uns unterstützt, sondern uns auch noch glücklich macht, und mit dem man leidenschaftlich Sex haben kann. Da ist die Messlatte ganz schön hoch angesetzt.

Da passiert es, dass der Stress von außerhalb, z.B. von Arbeit oder Kindererziehung in die Partnerschaft hineinschwappt und seinerseits zu Konflikten mit dem Partner führt. Tatsächlich sind es die alltäglichen Widrigkeiten, die wie Nadelstiche wirken und das Beziehungsleben zermürben. Für Paare ist es eine Herausforderung, dieses Überschwappen früh zu erkennen und gegen zu steuern. Zusätzlich kommt der zwar verständliche und doch unrealistische Wunsch hinzu, dass wenigstens Partnerschaft reibungslos ablaufen sollte, weil man sich doch liebt. Einige Paare sind durch ihre Anforderungen außerhalb der Partnerschaft so in Beschlag genommen, dass sie nicht bereit sind, sich auch noch für die Partnerschaft zu engagieren.

Wie gehen Sie vor, wenn Paare zu Ihnen kommen, um Streiten zu lernen?

Die Mehrzahl der Paare kommt erst sehr spät zu mir, nämlich dann wenn sich Konflikte in der Partnerschaft stark angestaut und verhärtet haben. Dann geht es erst mal darum zu sortieren und die Bereitschaft zu steigern, sich außerhalb von bisherigen Konfliktmustern wieder mit mehr Wohlwollen zu begegnen. Der erste Schritt dafür ist eine Art „Ich tue Dir als Vorschuss bewusst etwas Gutes“-Training zum Senden von O.k.-Signalen, damit überhaupt die Grundlage für das Lernen einer neuen Streitkultur gegeben ist. Paare, die frührer kommen, und bei denen dieses „Du-bist-O.K.“-Vertrauen noch erhalten ist, biete ich in ein Intensiv-Training an.

Dabei wird gelernt, sich über das Mitteilen von Gefühlen und persönlicher Bedeutung der Situation den Partner verständlich zu machen. Es geht dabei die eigene Perspektive über die eigenen Gefühle in konkreten Situationen nachvollziehbar zu machen. Damit das möglich wird, braucht es vom Zuhörer ständige O.K.-Botschaften. Damit meine ich die Fertigkeit beim Zuhören die eigene Perspektive für einen Moment hintanzustellen und stattdessen dem Partner immer wieder zu signalisieren, dass man sich gerade ehrlich bemüht, ihn in der Tiefe zu verstehen. Das lässt sich gut lernen und trainieren.

 

 

 

 

Paartherapeut Reimer Bierhals zeigt Paaren in Bamberg, wie sie ungute Streitdynamiken unterbrechen können.
Um eine ungute Streitdynamik zu unterbrechen, hilft es erst einmal, strikt die "Pause-Taste" zu drücken. Bild: Jürgen Jotzo / pixelio.de

Was sind wichtige Schritte, um sich nicht unnötig zu verletzen bei Auseinandersetzungen?

Erstens, die Fähigkeit, sich selbst zu beruhigen. Hierbei hilft schon innehalten und durchatmen, bevor man ein unbedachtes Wort, was schon auf der Zunge liegt, ausspricht. Zweitens, die Bewusstheit darüber, dass es für eine verletzende Äußerung fünf positive, wertschätzende Verhaltensweisen braucht, um die Verletzung auszugleichen. Drittens, eine Auseinandersetzung mit einer Versöhnung beenden statt mit Schweigen oder Trotzen. Hierfür kann Humor sehr hilfreich sein. Denn mit Humor können wir sowohl Abstand zu eingefahrenen Automatismen herstellen als auch Nähe zum Partner erzeugen. Viertens, sich trauen von eigenen Gefühlen zu sprechen und darüber dem Partner sich verständlich machen.

Was sind absolute verbale no-gos und was stattdessen sinnvoll?

Ein No-Go-Klassiker ist ein wichtiges Anliegen mit Du-Botschaften vermitteln, z.B.: „Du gehst nie auf mich ein. Nie sprichst Du mit mir.“, „Wenn Du mich genug lieben würdest, dann wüsstest Du, was ich brauche!“ oder „Dir bin ich ja völlig egal!“ Eine sinnvolle Alternative wäre zu schildern, was einem emotional fehlt, warum das für einen selbst so wichtig ist, und was der andere konkret tun könnte, um O.K.-Signale zu senden. Also z.B. „wenn Du so gar nicht auf mich eingehst, wenn ich mit Dir spreche und weiter in Deiner Zeitung liest, fühle ich mich gar nicht wahrgenommen. Das ist so ein Gefühl als wäre ich wie Luft. Das Gefühl schnürt mich richtig ein und ich werde ärgerlich. Ich möchte nicht wie Luft sein. Und mir ist unsere Beziehung wichtig. Mir liegt viel daran, dass wir auch in der Tiefe einen Zugang zueinander finden können. Dabei würde es mir schon helfen, wenn Du Deine Zeitung herunter nimmst. Damit könntest Du mir das Signal geben, dass ich Dir wichtig bin. Möglicherweise könnten wir uns dann Zeit nehmen, und gemeinsam überlegen, wie wir uns sagen können, was wir voneinander brauchen. Wärst Du bereit dazu?“

Können Sie einen Fall aus Ihrer Berufspraxis beispielhaft anonym schildern, wie sich das Streiten von einem Paar entwickelt/verändert hat mit dem Training?

Was sich im positiven verändert ist die Fähigkeit, in Konflikten zu verlangsamen, eigene Verletzlichkeit über Gefühle auszudrücken und ein Stück weit die emotionale Perspektive des anderen einzunehmen. Das Paar, an das ich gerade denke, war nach einer Affaire von ihr in Therapie gekommen, zuvor war die Beziehung erkaltet, sie hat sich emotional von ihm allein gelassen gefühlt. Im Lauf der Zusammenarbeit war es für das Paar möglich, weniger Forderungen an den anderen zu stellen und stattdessen mehr die eigene Gefühlswelt dem anderen auszusprechen. Auch war es gegenseitig möglich, Fehler einzugestehen. Damit schafften sie die Grundlage dafür, dass die Beziehung eine Chance hat, auf eine erneuerte Basis gestellt zu werden.

 

 

 

 

 

 


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